Tetraplegiker live am Hockeymatch.
Szenen wie bei Röbi Koller am Schweizer Fernsehen gibt es neu auch bei der Spitex Linth. Ihre Mitarbeitenden dürfen den Klientinnen und Klienten pro Jahr zwei Stunden Zeit schenken. Zeit, die sie je nach Lust und Laune zusammen mit ihnen verbringen dürfen. Als Erster kommt Edgar Curty aus St. Gallenkappel in den Genuss des Zeitgeschenks und er wird dabei erst noch überrascht von einem grossen Star.
Die Augen von Edgar Curty strahlen. Am letzten Freitag ist der 73-jährige Tetraplegiker zum ersten Mal wieder unter Menschen. Wegen eines Velounfalls im November 2019 ist er vom Hals abwärts gelähmt, für Ausflüge brachte er seither keine Kraft mehr auf. Doch daran denkt er jetzt nicht. Denn Edgar Curty verfolgt den Hockeymatch der Rapperswil-Jona Lakers – seinem Herzensclub - gegen den SC Bern. «Es ist wunderschön, ich bin ganz überwältigt und geniesse jede Sekunde!», sagt er überglücklich.
Motiviert zu diesem Ausflug haben ihn die beiden Spitex-Linth-Frauen Johanna Gmür und Livia Rüegg. Sie sind regelmässig bei Edgar Curty zu Hause im Einsatz und fanden es schade, dass der grosse Lakers-Fan nicht mehr aus dem Haus geht und so die Spiele nur am Fernsehen mitverfolgen kann. «Er schwärmte immer vom Hockey und wie gern er früher diese Matches live vor Ort verfolgte, wegen seiner Beeinträchtigung jetzt aber nicht mehr hingehen wolle. Es sei zu emotional und zu aufwändig. So kamen wir auf die Idee, ihn dabei zu begleiten», sagen die beiden Pflegefrauen.
Unterstützt wird dieser Einsatz durch das Zeitgeschenk, welches die Spitex Linth all ihren Mitarbeitenden zu Weihnachten machte. Neu stehen ihnen zwei Stunden pro Jahr zur Verfügung, die sie nutzen dürfen, um ihren Klientinnen und Klienten ausserhalb der Pflege eine kleine Freude zu machen. Das kann ein Spaziergang sein oder ein Gespräch bei Kaffee und Kuchen. Präsident Peter Göldi dazu: «Bei der Pflege ist jede Minute geregelt. Es ist genau vorgeschrieben, wie viel Zeit für den Verband und wie viel für das Bereitstellen der Medikamente abgerechnet werden darf. Diese Reglementierung sorgt für Zeitdruck bei den Pflegenden. Manchmal haben Klientinnen und Klienten ein zusätzliches Anliegen oder möchten noch ein bisschen reden. Dafür aber ist keine Zeit vorgesehen. So bleibt die Beziehungsarbeit oftmals unbefriedigend.» Und genau da soll das Zeitgeschenk ansetzen und sowohl den Angestellten als auch der Kundschaft eine Freude bereiten.
Während die Spitex Linth diese Momente den Mitarbeitenden als Arbeitszeit vergütet, wird sie der Kundschaft geschenkt. Es haben also beide etwas davon. Peter Göldi: «Es ist ein Dankeschön für die Treue der Klientinnen und Klienten und eine Wertschätzung für unsere Mitarbeitenden, welche eine grossartige Arbeit leisten. Das Zeitgeschenk soll auch im Kleinen dazu beitragen, dass die Spitexangestellten ihre Freude am Beruf aufrechterhalten und der Gesundheitsbranche erhalten bleiben.» Neu ist diese Idee nicht. Auch andere Spitexvereine der Schweiz machen bereits gute Erfahrung damit. Finanziert wird das Zeitgeschenk durch einen Teil der Mitgliederbeiträge.
Für Edgar Curty eine wunderbare Sache, für die er sich gerne einspannen lässt. Und weil die Lakers das ebenfalls toll finden, überraschen sie den Besucher am Schluss des Spiels noch mit einer besonderen Geste: Goalie Melvin Nyffeler, einer von Edgar Curtys Lieblingsspielern, begrüsst ihn persönlich neben dem Eis. «Dass ich das erleben darf, ist unbeschreiblich. Ich bin überglücklich und hoffe, dass die Spitex Linth vielen Menschen mit dem Zeitgeschenk eine Freude machen kann.» Dass die Lakers das Spiel gegen Bern mit 6:2 hoch aus gewinnen, macht den Abend für Edgar Curty perfekt.